Vergangene Woche schockte eine Entscheidung der belgischen Stadt Lüttich die Anhänger des Bundesligisten Hannover 96: im Vorfeld beziehungsweise nach dem Europaleaguespiel am 30.11. gegen den belgischen Verein Standard Lüttich sind sie in der Stadt zur personi non grati erklärt worden – sie sind nicht erwünscht.
Was auf den ersten Blick wie ein Schildbürgerstreich wirken mag, ist bitterer Ernst: die Stadt Lüttich will sich im wahrsten Sinne des Wortes zur Tabuzone für Hannoveraner erklären und ihre Schotten dicht machen – ein Affront nicht nur in sportliche Hinsicht. 96-Anhänger dürfen um 19.30 Uhr das Stadion betreten und müssen unmittelbar nach Abpfiff die belgische Stadt verlassen; so wollen es die Verantwortlichen. Viele Fans hatten Exklusivpakete gebucht, die sowohl Übernachtungen als auch Stadtbesichtigungen beinhalteten – aus der Traum vom deutsch-belgischen Völkerverständnis. Andere wiederum, die mit der Bahn anreisen wollten, müssen nun auf andere Züge umbuchen, da sie ansonsten zu früh in Lüttich ankommen würden, was mit bis zu 10 Stunden Arrest bestraft werden könnte. Einzig die hannoverschen Anhänger, die per Flugzeug einreisen möchten, haben zufällig Glück gehabt: ihre geplante Ankunftszeit wird nach 19.30 Uhr sein.
Bundesweit sind Fans, aber auch Experten empört über die Handhabe der Belgier, die ihre Heimpartie gegen Hannover 96 als Hochsicherheitsspiel eingestuft haben. Da stelle ich mir doch die Frage, warum die Hannoveraner offenbar so wenig willkommen sind. Natürlich gibt es auch dort – wie in jedem anderen Verein auch – radikalere Anhänger, aber es lässt sich definitiv nicht behaupten, dass 96-Fans dafür bekannt sind, unangenehm aufzufallen oder Randale zu machen. Ich hätte vielleicht noch Verständnis für die Lütticher, wenn die Hannoveraner solch ein Image hätten wie einige Fußballvereine aus den Neuen Bundesländern, vor deren Fans und den zu erwartenden Ausschreitungen sich bekanntermaßen viele gegnerischen Vereine fürchten, aber mir ist kein Fall bekannt, der eine Aussperrung der 96-er gerechtfertigt hätte.
Noch hatten sich die Fans nicht von dem Schock erholt, da folgte der nächste Hammer, diesmal aus Kopenhagen: Mitarbeiter des dortigen Ticketshops hatten (wohl versehentlich) circa 2000 Karten an Hannoveraner für Kopenhagener Blöcke verkauft und danach festgestellt, dass sie diese dort überhaupt nicht haben wollen. Also wurden mehrere Hundert einfach wieder storniert, der Rest wird – soweit möglich – in den Gästeblock gepresst. Gastfreundschaft sieht anders aus… Offenbar sind Hannoveraner auch in Dänemark nicht willkommen – dabei hätten die Dänen von der Gastfreundschaft der Niedersachsen etwas lernen können. Vor dem Hinspiel am vergangenen Donnerstag machten circa 400 Anhänger des FC Kopenhagen eine Stadtbesichtigung in Hannover. Was ist also mit unseren europäischen Nachbarn los? Warum legen sie den sympathischen und fröhlichen hannoverschen Fans, die sich einfach so sehr über den Erfolg ihrer Mannschaft freuen und mit ihr reisen und feiern wollen, so viel Steine in den Weg? Warum können sie nicht mir ebenso offenen Armen empfangen werden, wie wir Deutschen – und insbesondere auch die Hannoveraner selbst – es bei der WM 2010 mit unseren Gästen taten? Da labern alle vom vereinigten Europa, und schon bei einem simplen Fußballspiel ist die Vereinigung ganz schnell vergessen.
Ich persönlich finde das Verhalten der beiden gastgebenden Vereine einfach indiskutabel. Zum einen gibt es keinen relevanten Grund, warum 96-Fans nicht in die Stadt Lüttich dürfen, zum anderen stellen sich Lüttich und Kopenhagen selbst ein Armutszeugnis aus. An internationalen Wettbewerben teilzunehmen bedeutet auch, international und weltoffen zu denken und gastfreundlich zu sein – beide kann ich hier nicht erkennen. Darüber hinaus stelle ich mir die Frage, ob Lüttich und Kopenhagen ähnlich reagiert hätten, wenn Bayern München oder Borussia Dortmund zu Gast kommen würden – oder ob dann das Spiel zu dem gemacht werden würde, was es sein sollte: eine internationale Fußballparty. Und dürfen Kopenhagener nach Lüttich? Wo sitzen Lütticher in Kopenhagen? Und was ist eigentlich mit Poltawa? Fragen über Fragen… Eine überflüssiger als die andere…
Wie sagte der hannoversche Stadionsprecher so schön vor dem Heimspiel gegen Kopenhagen? „Egal, für welchen Verein unser Herz schlägt, welcher Nation wir angehören oder an welche Religion wir glauben: we are all football people.“
Merkt Euch diesen Satz, Ihr lieben Lütticher und Kopenhagener…
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