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Wann sind Notlügen im Alltag gestattet?

Wann sind Notlügen im Alltag gestattet?

Vor einigen Tagen habe ich einen Artikel über Lügen im Internet geschrieben. Dass dies indiskutabel ist, wissen wir ja wohl alle. Aber wie sieht es mit Lügen und Flunkereien im wirklichen Leben aus?

Neulich traf ich eine Bekannte, die mich fragte, wie mir ihre neue Bluse gefiele. Mit dieser Frage brachte sie mich in eine arge Zwickmühle. Ehrlich gesagt fand ich diese Bluse nicht nur extrem scheußlich, sondern sie stand meiner – recht korpulenten – Bekannten in keiner Weise; sie sah aus wie eine Wurst. Was also solle ich da antworten? Ich bin so erzogen worden, immer die Wahrheit zu sagen (nach dem Motto: „man kann zwar Sch…. bauen, aber man muss dazu stehen“). Kommt zwar nicht bei jedem gut an, aber so ist das nun mal. Lügen in jeglicher Form sind mir eigentlich auch zuwider; außerdem befürchte ich immer, man würde es mir ansehen, wenn ich die Unwahrheit sage. Also antwortete ich wahrheitsgemäß, wie schrecklich meine Bekannte aussah – prompt war sie beleidigt.

In diesem Zusammenhang frage ich mich, wann eine kleine Notlüge entschuldbar beziehungsweise angebracht ist und wann nicht. Schon das Wort an sich erklärt ja einiges: „aus einer Notsituation heraus nicht die Wahrheit sagen“. Aber wann genau solch eine Situation vorhanden ist, bleibt mir ein Rätsel. Hätte ich in diesem Falle die Bluse gelobt, wäre meine Bekannte weiterhin so geschmacklos gekleidet herum gelaufen und hätte sich zum Gespött der Leute gemacht. Allerdings wäre sie dann nicht sauer auf mich gewesen… Aber darf man lügen, nur damit jemand nicht verletzt oder beleidigt ist? Ich denke nicht. Ohnehin lügen wir ja alle mehrmals am Tag. Es fängt an bei der Antwort auf die Frage „wie geht’s?“ Normalerweise sagt man „gut“ und das Thema ist erledigt; auch wenn das Befinden eigentlich ganz und gar mies ist.

Aber da der Fragesteller gar keine andere Antwort erwartet, verlaufen Unterhaltungen wie diese immer nach demselben Schema. Und eigentlich ist dies ja auch nicht direkt eine Lüge, sondern nur eine Vermeidung ausschweifender Antworten, die sowieso niemanden interessieren. Oder wärt Ihr begeistert, wenn Euer Nachbar auf die Frage „wie geht’s?“ antworten würde: „Ach, na ja, nicht so gut. Mein Rheuma ist heute wieder besonders schlimm, deswegen war ich vorhin schon beim Arzt, aber der meinte nur, … Außerdem sprang mein Wagen nicht an, da muss ich auch mal schauen, was da los ist, mein Hamster hat so komisch nach Luft geschnappt, der Wasserhahn in der Küche tropft, meine Frau hat die Kartoffeln anbrennen lassen…“ Spätestens beim dritten Satz würden jedermanns Ohren auf Durchzug schalten! J

Aber oft genug wird man mit Situationen konfrontiert, die einem nur drei Möglichkeiten lassen:

  1. Man sagt die Wahrheit und hat (mindestens) einen Freund weniger.
  2. Man lügt, tut zwar dem anderen einen Gefallen, fühlt sich aber selbst total mies.
  3. Man fällt auf der Stelle tot um und kommt so um eine Entscheidung für Punkt 1 oder 2 herum.

Alle diese Optionen scheinen mir nicht wirklich verlockend und ich weiß, dass ich immer wieder in dem Dilemma stecken werde, mich für eine entscheiden zu müssen.

Was meint Ihr? Wann könnten Notlügen erlaubt sein?

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