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Wie viele Lügen sind bei der Partnersuche gestattet?

Wie viele Lügen sind bei der Partnersuche gestattet?

Gestern habe ich ein wenig auf der Profilseite eines Kumpels bei einer Partnerschaftsbörse im Internet geschnüffelt, mit deren Hilfe er eine Partnerin finden möchte, und ich muss sagen, ich war entsetzt über die Unverfrorenheit, mit der er Fakten über seine Person beschönigt.

Natürlich ist es klar, dass kein Mensch bei der Partnersuche sofort alle seine Fehler, Macken und Schwächen preis gibt – die findet der Partner noch früh genug von alleine heraus. Aber so gnadenlos zu lügen, wie er das tut, das geht in meinen Augen gar nicht. Wie soll denn eine Beziehung entstehen können, wenn sie von vorneherein auf Lügen aufgebaut ist? Früher oder später merken die Frauen doch, dass das Profil in keiner Weise mit der realen Person übereinstimmt – der Ärger ist vorprogrammiert. Allerdings hätte ich längst ahnen müssen, dass er es mit Wahrheiten nicht so genau nimmt, als er mich vor Jahren bat, ich möge seinem Kollegen erzählen, er sei segeln…

Bei meinem Kumpel entstand bereits die erste Unwahrheit in der Rubrik „Ausbildung“. Laut seinem Profil hat er Abitur; sollte er nicht in letzter Zeit heimlich zur Schule gegangen sein, fehlen ihm exakt vier Jahre zur Hochschulreife.

Des Weiteren outet er sich als Theater- und Operngänger. Das einzige Theater, das er demnächst haben wird, wird von mir kommen, wenn ich ihm eine Szene über seine Lügereien machen werde. Und die einzige Opernerfahrung, die er je hatte, besteht aus einer verstaubten Maria-Callas-CD  in seinem Regal, übrigens ein Erbstück.

Ein „begeisterter Sportler“ sei er ebenfalls. Dies ist insofern nicht ganz unwahr, als dass er jeden Samstag die Bundesligashow im Radio hört, während er auf dem Sofa liegt – hier endet dann allerdings auch seine Sportlichkeit.

Schon beim Treppensteigen in seine Wohnung schnaubt und schnauft er dermaßen, dass ich oft genug befürchtet habe, er kommt nicht mehr lebend oben an. Apropos Wohnung: laut Profil ist er Eigentümer einer Penthousewohnung. Mir wurde fast schlecht angesichts dieser Aussage. Sein „Penthouse“ ist eine knapp 40 m² große Dachgeschoßwohnung eines siebenstöckigen Hauses in nicht gerade der besten Gegend unserer Stadt. Wie will er denn einer potentiellen Partnerin erklären, warum seine Wohnsituation so gar nicht jener ähnelt, die er in seinem Profil beschreibt?

Darüber hinaus erfuhr ich, er sei „belesen und gebildet“ und verbringe viel Zeit mit Büchern. Dies ist eine Interpretationssache. Neben zwei Telefonbüchern besitzt er tatsächlich ein weiteres, welches ich ihm vor circa 10 Jahren geschenkt habe. Dieses Buch steht noch original eingeschweißt in seinem Schrank. Da besagter Schrank sich aber in demselben Raum befindet, in dem sich mein Kumpel die meiste Zeit aufhält, verbringt er ja quasi viel Zeit mit Büchern. Also keine glatte Lüge…

Was ich auch nicht wusste, ist die Tatsache, dass er ein wahrer Gourmet ist und die italienische Küche bevorzugt. Das einzig Italienische, das ich jemals bei ihm auf dem Teller gesehen habe, waren verkochte Spaghetti mit Ketchup. Falls allerdings „Gourmet“ bedeuten sollte, ein Allesfresser zu sein, der auch vor 8 Wochen abgelaufener Wurst nicht zurückschreckt, dann ist er einer.

Am meisten erschütterte mich aber seine Aussage, er sei ein talentierter Multimedia- und Technik-Freak. Ganz ehrlich: dieser Mann kann nicht einmal die Batterien in seiner Fernbedienung wechseln, geschweige dann ein PC-Programm installieren oder einen DVD-Player bedienen (wirklich wahr!). da gibt es überhaupt nichts schön zu reden: auf dem Gebiet der Technik ist er eine glatte Null.

Vermutlich ist er jetzt auch nicht mehr mein Kumpel, wenn er diesen Artikel gelesen hat, aber mit Verlusten muss man leider immer rechnen. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass ich gerne weiterhin mit jemandem befreundet sein möchte, der sich seine eigene Wahrheit kreiert. Irgendwo hört der Spaß auch auf, und bei solch krassen Lügen ist die Grenze weit überschritten. Wie gesagt, ich habe Verständnis dafür, dass man seine Stärken ein wenig hervor hebt und seine Schwächen diskret verschweigt. Aber einen völlig neuen Charakter zu gestalten, ist einfach zu viel Unwahrheit. Und überhaupt: wenn er solch ein gebildeter, kulturell interessierter, sportlicher, talentierter Mann wäre – warum müsste er dann im Internet nach einer Partnerin suchen? Die Frauen müssten ihm doch rudelweise hinterherlaufen…

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