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Herbst Gedicht

Herbst Gedicht

Nun gibt der Herbst dem Wind die Sporen. 
Die bunten Laubgardinen wehn. 
Die Straßen ähneln Korridoren, 
in denen Türen offenstehn.

 Das Jahr vergeht in Monatsraten. 
Es ist schon wieder fast vorbei. 
Und was man tut, sind selten Taten. 
Das, was man tut, ist Tuerei.

 Es ist, als ob die Sonne scheine. 
Sie läßt uns kalt. Sie scheint zum Schein. 
Man nimmt den Magen an die Leine. 
Er knurrt. Er will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber, 
nimmt Abschied vom Geäst und sinkt. 
Die Erde dreht sich um sich selber. 
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren, 
um wie die Jahre zu vergehn? 
Die Straßen ähneln Korridoren, 
in denen Türen offenstehn.

Die Stunden machen ihre Runde. 
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt. 
Und gehen langsam vor die Hunde. 
Man führt uns hin. Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen. 
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint. 
Es wehen bunte Laubgardinen. 
Nun regnet’s gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben. 
Ruth ist verreist, und der Verkehr 
beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben. 
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren. 
Und dennoch wird es weitergehn. 
Die Straßen ähneln Korridoren, 
in denen Türen offenstehn.

(Ein Gedicht von Erich Kästner)

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